Wirtschaftsforum: Ein Wein ohne Alkohol – ist das überhaupt noch Wein und wie unterscheidet er sich vom herkömmlichen Traubensaft?
Moritz Zyrewitz: Unsere alkoholfreien Weine werden mit echtem Wein hergestellt. Wir werden aber auch nie hundertprozentig nach Wein schmecken, weisen aber die einem Wein charakteristischen Merkmale auf. Das ist vergleichbar mit einer veganen Weißwurst, die auch irgendwie ein bisschen anders ist. Als E-Zigaretten erfunden wurden, haben sie zunächst so ausgesehen wie normale Zigaretten und auch vom Geruch so funktioniert. Der Konsument brauchte diese Traditionsphase über zehn oder zwanzig Jahre, um jetzt bei den E-Zigaretten zu sein, wie wir sie heute kennen und die ganz anders funktionieren. Ein Großteil der Kunden wäre vermutlich nicht bereit gewesen, sofort darauf umzusteigen, sondern hat diese Tradition gebraucht. Auch an Elektro-Autos haben früher nicht sehr viele Menschen geglaubt.
Ich glaube, das ist beim alkoholfreien Wein auch so. Viele versuchen, ähnliche Geschmäcker herzustellen. Mit der Zeit wird es jedoch in eine andere Richtung gehen. Unser Ziel und das der Getränkewirtschaft ist es, ein völlig eigenständiges Getränk zu finden, das man einfach gerne trinkt und das nicht nur dank des Bezugs zum Wein wertvoll wird.
Keiner unserer Mitarbeiter kommt aus dem Weingeschäft. Wir mögen aber alle gerne Wein und haben gesagt: Wir brauchen eine Alternative! Es gab keinen guten alkoholfreien Wein auf dem Markt, also haben wir beschlossen, das selbst in die Hand zu nehmen. Wir sind eine der wenigen Firmen, die sich ausschließlich auf alkoholfreie Weine spezialisiert und sich somit gebündelt damit auseinandersetzen kann.
Wirtschaftsforum: Alkoholfreies Bier, zuckerfreie Softdrinks – die ‘Light-Versionen‘ der Originale gibt es fast überall. Was war bei alkoholfreiem Wein bislang der Stolperstein?
Moritz Zyrewitz: Ich glaube, das braucht immer noch Entwicklung (lacht). Da gibt es mehrere Gründe. Erstens hatte alkoholfreier Wein immer ein etwas schmuddeliges Image, weil sehr günstige Produkte als Ausgangsweine verwendet wurden. Oft hatten die wenig Geschmack und wurden dann mit recht viel Zucker versetzt. Wir sind eine der wenigen, die angefangen haben, mit namhaften Winzern zu arbeiten und gute Weine, die im Laden zwischen acht und zehn Euro kosten würden, einzukaufen.
as nächste ist, dass die Industrie weiterhin auf Masse produziert. Bei günstigen Produkten kann man sich für die Reifung nicht viel Zeit lassen. Wenn der Endkonsument aber bereit ist, einen guten Preis für ein Produkt von einem guten Winzer zu zahlen, dann kann man in die technischen Prozesse mehr Zeit und Geld stecken und innovativer sein. Das gelingt bei uns dank eines Getränketechnologen in unserem Team immer mehr. Aber ich glaube, es braucht auch noch zwanzig Jahre Wettbewerb von deutschlandweit rund vierhundert Winzern, die entalkoholisierte Weine machen, sich Ideen abschauen und etwas Neues probieren. Der Wettbewerb ist die Herausforderung, vor der wir stehen.
Wirtschaftsforum: Ihre Produkte sind auch im Vergleich zum gehobenen Weinsegment relativ teuer. Inwiefern lassen sich die hohen Preise dennoch vertreten?
Moritz Zyrewitz: Die Leute, die alkoholfreien Wein trinken, sind auf der Suche nach etwas anderem und wollen sich etwas gönnen. Sie gehören zu der Zielgruppe, die sich für drei EUR einen Smoothie oder auf dem Markt für vier EUR ein kleines Stück Käse holt. Ich denke, da besteht eine andere Preisbereitschaft. In Deutschland wird generell weniger, dafür hochwertigerer Wein getrunken.
Zudem ist unser Produkt richtig gut. Die Entalkoholisierung kostet ebenso Geld wie der hochwertige Ausgangswein. Wir machen quasi eine Stufe mehr als der normale Winzer und müssen das Getränk anschließend abfüllen. Das führt alles zu Kosten. Der fertige Wein wird für die Entalkoholisierung mehrere Hundert km durch oder nach Deutschland gefahren. Somit entstehen Transportkosten. Es gibt mehrere Entalkoholisierungsanlagen aus der Großindustrie, in denen die Weine bei 28 Grad im Vakuum erhitzt werden. Dabei entsteht immer ein Schwund, da wir den Alkohol aus dem Wein herausholen. Das müssen wir einpreisen. Als kleine Firma produzieren wir in kleineren Mengen. Kleinere Mengen bedeuten zum Beispiel, dass wir beim Kauf der Flaschen andere Preise erhalten und einen größeren Verlust haben, den wir ebenfalls einpreisen müssen. Wir sind gerade auf der Suche nach weiteren Investoren und Partnern für eine kapitalintensive Finanzierungsrunde im Sommer.
Wirtschaftsforum: Ein Traubensaft ist deutlich günstiger als Ihr entalkoholisierter Wein. Wer greift dennoch lieber zu Kolonne Null und zählt somit zu Ihrer Zielgruppe?
Moritz Zyrewitz: Zu unserer Zielgruppe gehören nicht nur Leute, die gern mehr Geld für Lebensmittel ausgeben. Manche Menschen sparen bei ganz vielen Dingen, gehen aber für 15 EUR ins Kino. In den Entwicklungsländern gibt es Studien, die zeigen, dass Menschen, sobald sie mehr Geld verdienen, dieses nicht zwingend in Bildung oder mehr Nahrung investieren. Eher kaufen sie sich einen neuen Fernseher, Alkohol oder Zigaretten. Jeder Mensch – egal, ob er eine ganz einfache Arbeit hat oder viel Geld verdient – gönnt sich hin und wieder etwas. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir Menschen durch den Preis, der sich natürlich über die Zeit auch noch einmal verändern kann, ausschließen. Zu unserer Zielgruppe gehören somit alle Menschen – nicht nur die, die gerne Wein trinken. Viele Menschen trinken nicht gerne Alkohol, finden es aber schade, dass ihnen zur Auswahl nur Wasser oder süße Fruchtsaftschorlen bleiben.
Wirtschaftsforum: Welche Traube ist besonders gut für die Herstellung des Kolonne Null-Weins geeignet?
Moritz Zyrewitz: Da gibt es keine spezielle. Wir wollen nicht die Coca-Cola des alkoholfreien Weins sein und eine Millionen Liter jährlich anmischen, die immer gleich schmecken. Die Idee ist, mit verschiedenen Winzern konstant Weine aus den verschiedenen Trauben herzustellen. Und dann weiß man: Es gibt einen guten Weißwein, ganz egal von welcher Marke. Das verändert sich über das Jahr. Es ist spannender, qualitativ gute Weine zu finden, als immer das gleiche Produkt zu produzieren.
Interview: Aurelia Leppen