Nüchtern betrachtet (Tagesspiegel)

Der bewusste Umgang mit Hochprozentigem oder gar der Verzicht darauf wird immer populärer. Nach Schäumern und Spirits wächst jetzt auch das Angebot für alkoholfreie Weine. Unser Autor, ein Sommelier, testete 32 auf ihr Aroma.

Kaum liegt der „Dry January“ hinter uns, beginnt auch schon die Fastenzeit: Verzicht zu üben, und sei es nur für 40 Tage, fasziniert von Jahr zu Jahr mehr Menschen. Auf Platz eins liegt in Deutschland mit deutlichem Abstand zu Süßigkeiten, Fleisch und Tabak einmal mehr der hartnäckige Dauersieger: Alkohol. 73 Prozent aller Fastenwilligen nennen ihn als Ziel und wollen auf Bier, Wein, Sekt und Spirituosen mit Umdrehungen ganz verzichten, zumindest bis Ostern. Gerade jüngere Leute stellen ein alkoholzentriertes Leben zunehmend in Frage. Sie plädieren für „mindful drinking“, reden darüber, welcher soziale Druck auf dem nächsten Glas lasten kann, und suchen nach Alternativen.

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Alkoholfreien Wein kann man sich nicht schön trinken, er muss schmecken

Mit dem steigenden Renommee von alkoholfreiem Wein gelang es dem Berliner Start-Up "Kolonne Null" auch, die Namen der Winzer, von denen der Grundwein stammt, aufs aufwändig gestaltete Goldetikett zu holen. Das ist ein Schritt raus aus der Anonymität und ein Qualitätsversprechen. Es sind nicht die billigen Reste der weltweiten Überproduktionen, denen zum bitteren Ende auch noch der Alkohol entzogen wird.

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Autor: Ulrich Amling

Print: Tagesspiegel, Ausgabe 24, 21.02.2021, S. 5